Das Mädl aus der Vorstadt

52. NESTROY Spiele Schwechat
29. Juni bis 03. August 2024
Di, Mi, Fr, Sa 20:30

So, 21.07. 19:00 Uhr

Kriminalkomödie trifft auf Liebesgeschichte.

Korruption, Diskriminierung, Standesunterschiede, Schubladendenken – eine verkehrte Welt, verpackt in Nestroys unverwechselbarer Sprache und einzigartigem Wortwitz. Geld regiert die Welt und beherrscht unsere Gesellschaft. Wer nicht mitspielt oder hineinpasst – anders ist – wird ausgegrenzt. 
In der Vorstadt aber treffen sich diese "Outcasts". Man akzeptiert, respektiert und toleriert einander. Doch durch die scheinbar so liberalen, weltoffenen "Normalen" werden sie immer wieder in die Schranken gewiesen. Aber haben nicht genau die den meisten Dreck am Stecken?!
Wer darf nun mit wem? und wer wird warum verdächtigt? und wo bleibt die auferlegte Moral, wenn selbst "die feinsten Fasan- und Austernesser dann und wann wohin auf Knödel und a Gselcht's geh'n"!? 

Wir jedenfalls bleiben sowohl uns, als auch unserem Motto treu:
"Was Nestroy betrifft, ist Wien eine Vorstadt von Schwechat."

Das Mädl aus der Vorstadt © Barbara Pálffy (Masengu Kanyinda, Grazia Patricia)
Christian Graf © Barbara Pálffy

Regie

Christian Graf
Andrea Költringer © Barbara Pálffy

Bühne & Kostüm

Andrea Költringer
Otmar Binder © Barbara Pálffy

Musik

Otmar Binder
Florian Haslinger © Barbara Pálffy

Regieassistenz

Florian Haslinger
Isabella Koppensteiner © Barbara Pálffy

Maske

Isabella Koppensteiner
Harald Töscher © Barbara Pálffy

Lichtdesign

Harald Töscher
Sophie Hörlezeder © Barbara Pálffy

Regiehospitanz

Sophie Hörlezeder
Maria Chternberg © Barbara Pálffy

Bühnenrealisierung

Maria Chternberg
Johann Nestroy

Autor

Johann Nestroy

Kostümassistenz

Maria Bittner, Barbara Fratzl

Maske

Nina Sophie Ploiner, Martina Reitinger, Stefanie Saliterer

Maskenanfertigung

Gerd Kosour

Show-Perücke Rosa Lee

The Ginghair | Andreas Kössler

Licht & Ton

Alexander Wanko

Bühnenbau

Bernadette Dewald, Louis Magnard, Stefan Puffer, Christoph Weiß

Sounds

Rainer Springenschmid

Sound-Mixing

Maximilian Antoniades

Bühnenmalerei

Thomas Zimbo Zimmermann

Transporte

Viki Riemer

Video

Bernadette Dewald

Grafik

Lori Trauttmansdorff

Fotos

Barbara Pálffy
HERR VON KAUZ ein Spekulant
DOMINIK sein Butler
FRAU VON ERBSENSTEIN
NANETT ihr Personal Assistant
GIGL ihr Verlobter
SCHNOFERL ein Winkelagent
MADAM STORCH eine Grande Dame
KNÖPFL ihr Toyboy
ROSA LEE
MUTTER KAUZ
CATERINGPERSONAL
SCHNEIDERIN
BEAUTY- UND PFLEGEPERSONAL
STAMMGAST

1. Akt 
Ungeduldig erwartet die noch junge Witwe Frau von Erbsenstein ihren Bräutigam Gigl. Ihr reicher Onkel Kauz, der sich trotz seines fortgeschrittenen Alters für jung und unwiderstehlich hält, hört sich ihre Klagen an. – Auftrittslied Schnoferl I, 5 (R: „Na der Mensch muß nit alles auf Einmahl begehr’n.“). – Kauz schuldet Schnoferl 3.000 Gulden, die er nicht zurückzahlen kann, seitdem ihm 120.000 Gulden gestohlen wurden. Der Verdacht fiel seinerzeit auf Stimmer, der gleich nach dem Raub die Flucht ergriffen hatte. Frau von Erbsenstein hegt den Verdacht, dass ihr Bräutigam eine andere Frau liebt. Sie beauftragt Schnoferl, der Sache auf den Grund zu gehen, da sie es in diesem Fall nicht nötig hätte, auf einer Hochzeit zu bestehen. Gegenüber Kauz äußert Schnoferl den Verdacht, dass Stimmer nicht der Dieb des Geldes war. Ein gewisser Käfer wisse mehr über die Sache, doch Kauz ist offensichtlich nicht an weiteren Nachforschungen interessiert. Zerknirscht wegen der Vernachlässigung seiner Braut, erscheint Gigl. Unter vier Augen gesteht er Schnoferl, sich in Thecla verliebt zu haben. Allerdings ist diese mit ihrer Tante an einen unbekannten Ort verzogen. Schnoferl macht Gigl keinerlei Hoffnung auf Theclas Liebe und rät zu einer Hochzeit mit Frau von Erbsenstein. Er selbst würde sie gerne heiraten. Lediglich sein Alter verhindere diesen Schritt. Resiginiert willigt Gigl in eine Hochzeit ein. Zwar erzählt Schnoferl von Gigls Liebe zu Thecla, tut die Sache jedoch als harmlose Schwärmerei ab und kann auf diese Weise eine Versöhnung mit Frau von Erbsenstein herbeiführen. – Lied Frau von Erbsenstein I, 13 (R: „Was bleibt eim da übrig, als nachsichtig sein.“). – Zufällig treffen sich Thecla und Gigl im Haus von Frau von Erbsenstein. Sie versichert Gigl, dass sie keinerlei Groll gegen ihn hege, ihn aber aus Gründen, über die sie schweigen müsse, nicht wiedersehen könne. Überrascht erfährt Thecla von Gigls bevorstehender Hochzeit. In einem unbeobachteten Moment verschwindet sie. Sogleich will Gigl ihr nachlaufen, doch Kauz drängt zur Unterzeichnung des Ehevertrages. Ohnmächtig sinkt Gigl auf einen Stuhl. Um sich die Peinlichkeit vor den Gästen zu ersparen, sinkt auch Frau von Erbsenstein scheinbar in eine Ohnmacht. – Chor der Gesellschaft mit Schnoferl I, 21. 

2. Akt
Schnoferl wendet sich mit einer Bitte an Rosalie, Sabine, Peppi und Mad. Storch: Sie sollen seinen aus Liebeskummer unglücklichen Freund Gigl für sich einnehmen und auf diese Weise heilen. Nach einigem Zieren erklären sie sich einverstanden. Aufgeregt erscheint Mad. Storch vom Einkauf und bittet Gigl und Schnoferl, sie vor einem Mann zu beschützen, der ihr bis ins Haus nachgegangen sei. Kurzentschlossen bestimmt Schnoferl: „[…] wier müssen ihm was thu’n, was ihn geistig demüthigt, ohne ihn körperlich zu verletzen“, und gibt dem Eindringling einen Schlag auf den Hut. Erst im nachhinein erkennt man zum gegenseitigen Erstaunen, dass es sich um Kauz handelte. Entschuldigend lädt Schnoferl Kauz für den Abend ein. Sogleich beginnt man mit den Vorbereitungen für ein Festessen. Als die Frauen Kauz’ Großzügigkeit bemerken, finden auch sie Gefallen an ihm. Tief beunruhigt zeigt sich Kauz über die Nachricht, dass Käfer wieder in der Stadt sei und Schnoferl ihn am nächsten Tag aufsuchen wolle, um Genaueres über den Überfall zu erfahren. Im stillen beschließt Kauz, Schnoferl zuvorzukommen. – Quodlibet-Duett Rosalie und Schnoferl II, 12. – Mit sanfter Gewalt bringt Mad. Storch die sich sträubende Thecla ins Haus. Zu ihrer Überraschung trifft Thecla auf den unglücklichen Gigl, der ihr versichert, seine Braut abgelehnt zu haben. Er bittet Thecla um ihre Hand, doch in dem Moment, in dem sie ihre Ablehnung begründen will, werden sie von Schnoferl gestört, der über dieses Zusammentreffen nicht erfreut ist. Er ist sich sicher, dass mit Thecla etwas nicht stimmt und sie sich nur interessant machen will. Weinend verspricht Thecla, auf Gigl zu verzichten, schwört aber, an keinem anderen Mann ein Interesse zu haben. Das Festessen, an dem auch Gigl und Thecla teilnehmen, beginnt gerade, als Frau von Erbsenstein erscheint. Sie glaubt, es handle sich um die Verlobungsfeier von Gigl und Thecla und möchte den Bräutigam über seine zukünftige Frau aufklären: Sie sei die Tochter des durchgegangenen Herrn Stimmer, der Kauz bestohlen habe. Ohnmächtig sinkt Thecla in Schnoferls Arme, so dass sie Gigls Beteuerung, sie trotzdem heiraten zu wollen, nicht mehr hört.

3. Akt
Rosalie, Sabine, Peppi, Mad. Storch und Knöpfl sind bei Kauz eingeladen, doch der Hausherr selbst hat sich verspätet. Er hat Käfer einen Besuch abgestattet und ihm für eine sofortige Abreise 200 Dukaten bezahlt. Für diese Summe hat er von Käfer auch einen ihn kompromittierenden Brief zurückerhalten. Zuhause beginnt er, mit den Damen im Garten „Blinde Kuh“ zu spielen. Während Kauz mit verbundenen Augen umherläuft, beschließen diese, ihm einen Streich zu spielen: Sie verstecken seinen Rock in einem Baum. Um die Brieftasche nicht zu beschädigen, nimmt Sabine sie an sich. Unterdessen fängt Kauz die über sein Verhalten sehr erstaunte Frau von Erbsenstein, die gerade den Garten betritt. So schnell wie möglich versucht Kauz, seine Nichte wieder loszuwerden, bevor sie von seinen anderen Gästen bemerkt wird. Doch Frau von Erbsenstein erklärt, Schnoferl habe sich hier mit ihr verabredet. Mit auffallender Zuvorkommenheit komplimentiert Kauz seine Nichte ins Haus. Als Kauz beginnt, sich über seinen verschwundenen Rock Gedanken zu machen, erscheint auch noch Gigl, ebenfalls von Schnoferl bestellt. Zwar läßt er sich durch den Hinweis auf Frau von Erbsensteins Anwesenheit beinahe zu einer sofortigen Umkehr bewegen, doch Rosalie kann ihm leise zuflüstern, dass auch Thecla anwesend sei. Schnoferl habe ihr „Aufschlüsse über ihre Familienangelegenheiten versprochen“. Sie warte mit ihrer Tante in der Nähe. Gerne verspricht Rosalie, Thecla herzuholen. Zuvor übergibt sie Gigl noch die Brieftasche, die ihr Sabine zugesteckt hat. – Lied Schnoferl III, 12 (R: „Na, laßt man ein Jedn sein Freud.“). – Vorsichtig erscheint Thecla in der Hoffnung, Schnoferl könnte ein Mittel zur Rechtfertigung ihres Vaters gefunden haben. Zu Schnoferls und Gigls Erstaunen zeigt Frau von Erbsenstein sich Thecla gegenüber sehr freundlich. Aus Begeisterung über diesen Edelmut gesteht Schnoferl ihr seine Zuneigung, doch sie weist ihn kurz ab. Thecla berichtet, ihr Vater sei an dem nämlichen Abend in Kauz’ Haus gewesen, habe die aufgebrochene Kasse gesehen und sogleich die Flucht ergriffen, da der Verdacht nur auf ihn fallen konnte. Nun lebt er unter falschem Namen von dem Geld, das Thecla ihm schicke. Da Schnoferl nicht, wie erhofft, von einem Zeugen Auskunft bekommen hat, lässt man ihn einfach stehen. Bevor er abfährt, übergibt Gigl ihm jedoch die Brieftasche. Neugierig schaut Schnoferl hinein und findet einen an Käfer adressierten Brief, den er aufmerksam liest. Triumphierend ruft er daraufhin nach Gigl, Thecla und Frau von Erbsenstein. Der nicht unterschriebene Brief enthält eine genaue Anweisung an Käfer, gegen eine Belohnung von 200 Dukaten Kauz’ Kasse zu rauben. Damit ist Theclas Vater rehabilitiert, doch der eigentliche Drahtzieher noch nicht entlarvt. Erst als Kauz die Brieftasche als sein Eigentum zurückverlangt, erkennt Schnoferl, wer der Absender des Briefes war. Leise erzählt er Kauz von seinem Wissen: Kauz habe den Raub seinerzeit inszeniert, um einen Erbschaftsanteil nicht zurückzahlen zu müssen. Da Frau von Erbsenstein ihn bittet, die Familienehre zu schonen, erklärt Schnoferl öffentlich, dass Theclas Vater unschuldig sei, da Kauz gar nicht beraubt wurde, sondern das Geld nur verlegt hatte. Kauz sei deshalb bereit, die Erbschaft samt Zinsen zu bezahlen. Schnoferl selbst erhalte seine 3.000 Gulden, Thecla bekomme 10.000 Gulden Aussteuer und ihr Vater 15.000 Gulden als Wiedergutmachung. Zudem spende Kauz 10.000 Gulden für die Armen. Da Kauz ihn leise beschimpft, erhöht Schnoferl die Summe für die Armen auf 12.000 Gulden. Zähneknirschend muss Kauz einwilligen. Insgeheim verspricht Schnoferl ihm die Aushändigung des Briefes, sobald alle notwendigen Papiere unterzeichnet sind. Empört verlassen Mad. Storch und die Mädchen das Haus und verbitten sich jeden weiteren Besuch von Kauz, weil er ihnen die Schuld für das Vorgefallene gibt. Als Dank für seine Dienste bietet Frau von Erbsenstein dem hocherfreuten Schnoferl ihre Hand an. Auch Gigl und Thecla sind ein glückliches Paar. 

Aus dem „Nestroy-Schauspielführer“ von Jürgen Hein und Claudia Meyer, Verlag Lehner

48. Internationale Nestroy-Gespräche 2024
Die Welt in Wien – Exotik in Europa. Zwischen Kulturvermittlung und kultureller Aneignung „Theuerster Herr Schwager, ich fliege aus Europa an Ihr asiatisches Herz.“ (Der Zauberer Sulphur […] oder Die Abentheuer in der Sclaverey, Stücke 6; III, 15)

Dienstag, 2. Juli 2024 
Anreise nach A-2320 Schwechat, Justiz-Bildungszentrum (Schloss Altkettenhof), Schloßstraße 7. Das Tagungsbüro im Gästehaus ist von 14.30 Uhr bis 18.30 Uhr geöffnet.
18:30 Begrüßung im Justiz-Bildunszentrum
19:30 Begrüßung und Umtrunk im Schloss Rothmühle, Rothmühlstraße 5, 2320 Schwechat-Rannersdorf
20:30 Aufführung der 52. NESTROY Spiele Schwechat: Das Mädl aus der Vorstadt (29.Juni − 3.August 2024), Regie: Christian Graf

Mittwoch, 3. Juli 2024 
9:00 Begrüßung und Einführung
9:30 Dirk Rupnow (Innsbruck, A): "...die politischen Folgen sind unausbleichlich!" Ein Versuch, die aktuellen "Post"-Debatten zu sichten 
10:10 Sebastian Hauck (Leipzig, D): Bernardon als Italiener, Rabbi, „Mohrin“. Comœdien-Stil und kulturelle Aneignung
Pause
11:00 Martin Gronau (Berlin, D): Von orientalischen Affen und allzu menschlichen „Viehkerl[en]“. Nestroys Tierspektakel und die animalischen Traditionen des attischen Volkstheaters
11:50 Das Mädl aus der Vorstadt (Regie Christian Graf) – Diskussionsrunde über Stück und Aufführung – Moderation: Johann Hüttner (Wien, A)
Mittagspause
15:00 Sebastian Fink (Innsbruck, A): Der Orient auf der Bühne – die Bühne im Orient
15:40 Lukas Nickel (Wien, A): China CoE – Wiener Weltausstellung und China
Pause
16:30 Florian Schwarz (Wien, A): Eine Hymne auf den Schah. Der Schahbesuch in Wien 1873 und das österreichsiche Persienbild
17:10 Fanny Platelle (Clermont Auvergne, F): Die Darstellung orientalischer Herrscher in drei Wiener Bearbeitungen französischer Vorlagen
18:00 Seongki In (Seoul, SK): Die Lokalposse als eine exkursive Theaterform
19:00 Heurigenbesuch 

Donnerstag, 4. Juli 2024 
9:00 Hugo Aust (Köln, D): Im Angesicht des Todes. Nestroys Nur keck und das „Krim-Abenteuer“
9:40 Christoph Schmitt-Maaß (München, D): Küsse und Bisse. Exotismus und Geschlechter-Diskurs in Nestroys Häuptling Abendwind (1862)
Pause
10:40 Lisa Niederwimmer (Wien, A): Repräsentation von Arbeitern am Wiener Vorstadttheater in der Mitte des 19. Jahrhunderts.
11:20 Henk J. Koning (Putten, NL): Hermann Michaelson (1800-1874). Redakteur, Schriftsteller, Theateragent und Nestroy-Rezensent 
Mittagspause
15:00 Bernhard Doppler (Paderborn, D): Treffen von acht Häuptlingen
15:40 Magdalena Gronau (Berlin, D): Komische Kometenfurcht. Exotisches Wissen um exo-terrestrische Objekte
Pause
16:20 Artur Robert Białachowski (Wrocław, PL): Ein Fest auf Polnisch – Zu ebener Erde und erster Stock in der Fassung von Zygmunt Anczyc aus den Sammlungen der Ossoliński Bibliothek in Wrocław/Breslau
17:10 Christine Frank (FU berlin, D / Wien, A): "Die Verlobung im Feenreiche" in japanischem Gewand
19:00 Gemeinsames Abendessen mit dem NESTROY Spiele Ensemble 

Freitag, 5. Juli 2024

09:00 Matthias Mansky (Wien, A): Karls Meisls Der Alpenkönig und die Mutter. Parodie oder Seitenstück zu Ferdinand Raimunds Der Alpenkönig und der Menschenfeind?
10:00 Ulrich Metschl (Innsbruck, A): „Die Vorstellung hat abg’wirtschaft’t“. Nestroy als defensiver Skeptiker
Pause 
10:40 Daniel Milkovits (Graz, A): Nora in Wien und Anzengruber in Teplitz. Bemerkungen zur Weihnachtskomödie Heimg’funden 
11.20 Sigurd Paul Scheichl (Innsbruck, A): Karl Kraus‘ Zeitstrophen zu Nestroy
Nachmittag Exkursion nach Bad Vöslau
Leitung: Otmar Nestroy und Othmar Rychlik

Samstag, 6. Juli 2024 
Abreise 

Konzeption: Walter Pape, Walter Obermaier, Antje Arnold, Matthias Mansky, Ulrike Tanzer 
Organisation: Christian Graf, Florian Haslinger, Raina Abbas-Ragab
Kooperationspartner: Forschungsinstitut Brenner-Archiv der Universität Innsbruck, COE EurAsian Transformations. ALG-Arbeitsgemeinschaft Literarischer Gesellschaften

Nachtwandler After Show Party

Aufgrund des großen Erfolges im Vorjahr gibt es auch heuer wieder die 
NACHWANDLER AFTER SHOW PARTY

Direkt im Anschluss an die Vorstellung mit Musik und Drinks im Garten der Rothmühle.

Sa, 13. Juli 2024 | Beginn: 23:00 | Eintritt frei!

© Agnes Palmisano

Marie Weiler: Sängerin, Mutter, Hausfrau, betrogene Geliebte und Managerin des Nestroy'schen Erfolges. Wer war DIE FRAU – wie Nestroy seine langjährige Bühnen- und Lebenspartnerin nannte – die den Humor und die Ausdauer hatte 35 Jahre an seiner Seite zu leben? Und wie erzählt sich diese Biografie aus weiblicher Sicht?!

Ein humoriger Abend mit Duetten, Couplets, Arien und Koloraturjodlern aus dem Biedermeier von und mit Agnes Palmisano (Meisterin des Koloraturjodlers), sowie Daniel Fuchsberger und Andreas Teufel.

Do, 18. Juli 2024 | Beginn: 20:30 | Freie Platzwahl | Buffet ab 19:00 geöffnet

mit freundlicher Unterstützung von Musik Aktuell - Neue Musik in Niederösterreich - Eine Initiative der Musikfabrik NÖ

• T I C K E T S • 

Logo musik aktuell

Grazia Patricia, Metamorkid © Doris Himmelbauer

Revue mit Vielfalt und Farbgehalt

Der Club Couleur vereint queere Performer*innen aus den Bereichen Comedy, Tanz, Gesang, Lypsync und Burlesque im Zeichen des Regenbogens. Sonst zu Hause im Wiener Vindobona präsentieren sie ihre Show erstmalig unter freiem Himmel.

Die beiden Gastgeberinnen Grazia Patricia (Teil des Nestroy-Ensembles) und Metamorkid (Drag Race Germany Finalistin) laden dazu diverse Künstler*innen als Gäste ein, um eine Brücke zwischen schwarz und weiß zu schlagen.

Do, 25. Juli 2024 | Beginn 20:30 | Freie Platzwahl | Buffet ab 19:00 geöffnet

• T I C K E T S •

Christian Graf © Barbara Pálffy

K U R Z B I O G R A F I E

Christian Graf wurde 1978 in Mödling geboren und wuchs in Leobersdorf (NÖ) auf. 
Nach seiner Matura in der Bildungsanstalt für Kindergartenpädagogik, fand sein Weg bald darauf nach Schwechat zu den NESTROY Spielen. Als Amateur im Jahr 2000 zur Gruppe und Peter Gruber gestossen, begann im Jahr darauf bereits seine professionelle Karriere als Schauspieler.

Seine Engagements führten ihn u.a. ans Ensemble Theater am Petersplatz, Stadttheater Klagenfurt, Volkstheater, Theater i.d. Josefstadt, Metropol, Ronacher, OHO, Dschungel Wien, Theatersommer Haag, Kulturfabrik Helfenberg und ans Theater der Jugend, wo er von 2004 bis 2016 regelmäßig in den unterschiedlichsten Rollen zu sehen war.

2013 war er zum ersten Mal bei den Salzburger Festspielen als Flaut | Thisbe in der Shakespeare- Mendelssohn-Version von Ein Sommernachtstraum zu sehen, gefolgt von Die Komödie der Irrungen im Sommer 2015.

An der Volksoper Wien debütierte er 2014 in „Der Zauberer von Oz“ als böse Hexe des Westens, wofür er 2016 mit dem Österreichischen Musiktheaterpreis in der Kategorie „Beste männliche Nebenrolle“ ausgezeichnet wurde. Von 2017-2022 war er festes Ensemblemitglied.

Bei den NESTROY Spielen Schwechat stand er von 2000-2011 in zahlreichen Hauptrollen auf der Bühne und kehrte 2022 zum 50 Jahre Jubiläum und der Abschiedsproduktion von Peter Gruber zurück. Im Zuge dessen wurde auch die Intendanz und künstlerische Leitung an ihn übergeben. Seine erste Regie von Nestroys Eisenbahnheiraten wurde 2023 von Presse und Publikum gefeiert.

Florian Haslinger © Barbara Pálffy

K U R Z B I O G R A F I E

Florian Haslinger absolvierte von 2009 – 2013 sein Schauspielstudium am Max Reinhardt Seminar.

Seine bisherigen Stationen umfassen Schauspielarbeiten mit Regisseur*innen wie Carlus Padrissa/La fura dels baus, Peter Gruber, Rimini Protokoll, Milena Michalek, Jana Vetten, Mia Constantine und Sara Ostertag.

Seit 2014 ist er Teil des YZMA Theaterkollektivs mit Produktionen im Theater Drachengasse (zuletzt Fest der Feinde 2023), KosmosTheater (Anatomie des Faultiers 2016) und am Landestheater Niederösterreich (Utopia 2017). Die gemeinsame Arbeit wurde 2014 beim Nachwuchs-Theater-Wettbewerb im Theater Drachengasse mit dem Publikumspreis ausgezeichnet.

In den Sommern 2016 und 2019 war er in Adi Hirschals Wiener Lustspielhaus zu sehen. Seit 2016 ist er permanenter Gast am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten und seit 2023 unterrichtet er Sprachgestaltung am Max Reinhardt Seminar.

Den NESTROY Spielen Schwechat ist er seit 1998 als Schauspieler verbunden und seit 2023 auch als Geschäftsführer.

Vorstand Verein NESTROY Spiele Schwechat

  • Obmann
    Christian Graf
  • Obmann Stv.
    Franz Steiner
  • Schriftführer
    Florian Haslinger
  • Schriftführer Stv.
    Christine Bauer
  • Kassier
    Patricia Weiß
  • Kassier Stv.
    Bella Rössler
  • Ehrenmitglied
    Peter Gruber

Online Merker, 30. Juni 2024
52. NESTROY Spiele Schwechat
DAS MÄDL AUS DER VORSTADT von Johann Nestroy
Premiere: 29. Juni 2024 besucht wurde die Generalprobe am 28. Juni 2024

Die „Mädls“ von heute sind anders(rum)…
Man könnte einen historischen Exkurs anbringen – ja, tun wir es, wenn er auch in diesem Zusammenhang irrelevant geworden ist. Als Ende der Neunziger Jahre des 19. Jahrhunderts Arthur Schnitzler „das süße Mädel“ als sozialen Frauentypus in die österreichische Literaur einbrachte (erst in „Anatol“, dann in „Liebelei“), wusste man, dass es dafür ein Vorbild gab – denn das „Mädl aus der Vorstadt“ von Johann Nestroy zeigte dieselben Geschöpfe der Unterschicht, die mehr oder minder zum Spielball der reichen Herren wurden. Nur, dass bei Nestroy der reiche junge Mann (Gigl) wirklich ganz rasend in das Mädl (Thekla) verliebt ist. Dennoch würde man keine hundert Gulden auf eine dauerhafte Zukunft der beiden verwetten… 

Tempora mutantur, heißt es bei den Römern (und nicht nur die Zeiten ändern sich, sondern wir uns in und mit ihnen), „Ja, die Zeit ändert viel“, weiß Johann Nestroy in einem Couplet, und Christian Graf, nunmehriger Intendant der Nestroy Spiele Schwechat (in den Fußstapfen des großen Peter Gruber, der sie begründet und ein halbes Jahrhundert geführt hat), weiß es auch, wenn er dieses Stück nun für diesen Sommer inszeniert.

Wenn der „Winkelagent“ Schnoferl (wir würden ihn vielleicht als Lobbyisten bezeichnen, so geschickt knüpft er die Fäden zwischen allen Gesellschaftsschichten) sich in die Vorstadt begibt, findet er nicht mehr, wie anno 1841 in Wien, einen „Pfaidler“, sprich Hemdenmacher, und seine Schar jugendlicher Näherinnen (die nebenbei einigen Spaß am Leben haben) vor – sondern eine Trans-Schwulen-Bar, wo der Herr Knöpfl zum ToyBoy in Leder geworden ist und die Mädels zumindest eine Transe und auch sonst schräge Typen verkörpern. Das Titel-Mädl Thekla ist von der Stickerin zur Maniküre geworden und, um dem heutigen Zeitgeist zusätzlich Reverenz zu erweisen, zum hübschen PoC-Girl, obwohl die Geschichte ihr keinen Migrationshintergrund geben kann. Wienerisch kann sie jedenfalls… Und dass sie zu jenen „Armen“ gehört, die zum Spielball der gewissenlosen Reichen werden – das ist schon klar und gilt einst wie heute (man muss nur an die importieren Sex-Sklavinnen denken).

Das heißt, dass Nestroy Stück in dem bewährten, geliebten Ambiente des Hofes von Schloß Rothmühle (gelungene Ausstattung, schlichte Räume, wilde Kostüme: Andrea Költringer) nur im ersten Akt einigermaßen aussieht wie das Original – der junge Herr von Gigl will sich, frisch verliebt in ein „Mädl“, von dem er nur den Namen weiß, vor der Ehe mit der reichen, zickigen Frau von Erbsenstein drücken. (Reiche Alte kauft sich knackigen Jungen – auch nicht eben unaktuell.) Sein Freund Schnoferl versucht, obwohl selbst in diese Dame verliebt, heroisch, den Bund zu retten. Das ist die klassische Liebeskomödie (nicht ganz ohne sozialen Hintergrund.)

So weit, so Nestroy – fast original, wenn die Musik von Otmar Binder auch ankündigt, dass dem nicht so ist…Der Song einer Drag-Queen führt in die alternative Vorstadt von heute, und man kann nicht sagen, dass Christian Graf sich beim Umdichten zurück gehalten hätte, da geht es auch recht gewaltsam zu. Aber doch im Rahmen der Komik und gewissermaßen im Rahmen des Stücks, wo auch mit Leuten wie dem Herrn von Kauz abgerechnet werden – großspuriger Betrüger (nicht ganz Benko, aber in die Richtung) und lüsterner Alter (irrt man sich, oder soll er optisch an Richard Lugner erinnern?).

Was bei Nestroy da noch gewissermaßen als fröhlich-beschwingt durchgeht (man bekommt die klassische Lindtberg-Aufführung des Burgtheaters mit Meinrad, Anders, Nicoletti, Eybner, Matz, Christiane Hörbiger – auf Video zu überprüfen – ja doch nicht aus dem Kopf), wird hier gewaltig schrill, nun herrschen wahrlich Brutalo- und Slapstick-Komik – aber doch nicht unmenschlich. Nicht so hässlich, wie Theater heute gerne ist. Sondern ein Theater heute, dass vor allem junge Menschen ansprechen wird, weil sie ihre Welt erkennen. 

Drei unersetzliche Veteranen der Schwechater Spiele liefern drei Meisterleistungen: Vor allem Bella Rössler brilliert als Frau von Erbsenstein und schafft auch die Wendung von der hochmütigen Domina zur normalen, mitfühlenden Frau. Herrlich, wie sich Bruno Reichert durch die Lüste und Nöte des Herrn von Kauz zappelt. Und urkomisch, wie Franz Steiner die klassische Charley’s Tante-Verwandlung in eine vornehm tuende alte Lady bewerkstelligt. Die zentralen Männerrollen sind mit Neuankömmlingen in Schwechat besetzt. Clemens Matzka bringt zwar Schnoferls Text, aber nicht ganz den irisierenden Glanz der Figur, der ein anständiger Kerl, aber, wenn nötig, auch ein gefinkelter Intrigant ist. Paul Graf bringt die Nöte eines unsicheren Verliebten auch körperlich zum Ausdruck. Das schöne Titelmädchen ist Masengu Kanyinda

Man braucht nicht alle der dazu gedichteten Figuren, aber jedenfalls geht es mit Grazia Patricia, Melina Rössler, Sophia Plätzer und San Trohar geradezu schamlos bunt zu. Auch das Dienstpersonal Peter Koliander im englischen Butler-Stil imd Gabriele Herbsthofer (vom Stubenmädchen zur gequälten Personal Assistant geworden) setzen ihre Pointen.

Natürlich ist das eine Fassung, auf die man sich einlassen muss, und guten Geschmack darf man nicht einfordern. Aber Nestroys Stücke wollen (abgesehen von dem, was sie untergründig aussagen) ja immer auch ein „G’spaß“ sein. Und den erfüllt Christian Graf mit diesem Abend vollinhaltlich für das 21. Jahrhundert. Nestroy hätte sicher nichts dagegen: Er hat immer alles Neue gewittert und darauf reagiert. Renate Wagner


Die Presse, 01. Juli 2024
Nestroys "Mädl aus der Vorstadt" steht in Schwechat unterm Regenbogen

Gender-Crossing und ein Greis, der an manche aus den "Seitenblicken" des ORF erinnert: Die Modernisierung ist gelungen.

Bei den Nestroy Spielen Schwechat gelingt Intendant Christian Graf eine possierliche Aktualisierung der Posse von 1841.

Ostwärts mutiert die Simmeringer Hauptstraße am Ende zur Wiener Straße. Dann befindet man sich bereits in Niederösterreich: Die erste Stadt dort ist für Flughafen, Brauerei und Raffinerie bekannt. Kulturaffine schätzen aber vor allem die Nestroy Spiele Schwechat, die seit 1973 jeden Sommer im Hof des barocken Schlosses Rothmühle über die Bühne gehen. Das Ambiente für die Stoffe dieses Dichters passt. Schwechat war eine Zeit lang tatsächlich eine Wiener Vorstadt. Früh setzte die Industrialisierung ein, erst vor allem im Textil-Sektor.

Am Samstag gab es im Schlosshof die Premiere von „Das Mädl aus der Vorstadt oder Ehrlich währt am längsten“. Johann Nepomuk Nestroy hat in dieser 1841 im Theater an der Wien uraufgeführten Posse wie gewohnt sarkastisch böseste Verfehlungen seiner Zeit vorgeführt. Kampf der Kulturen; Besitzende treffen auf die niederen Schichten.
Hier sind es Näherinnen, deren Notlage von den Herren der besseren Gesellschaft ausgenutzt wird. Die Armen prostituieren sich, um zu überleben. Nestroy drückt solch ungleiche Verhältnisse durch den Winkelagenten Schnoferl (den er selbst einst spielte) so aus: „Die feinsten Fasan- und Austernesser geh’n dann und wann wohin auf Knödel und a Gselcht’s.“ Eingebettet wird der soziale Skandal in Liebesgeschichten und Heiratssachen.

Ist Derartiges heute überhaupt noch aktuell? Unbedingt! Christian Graf, seit zwei Jahren Intendant dieser Spiele, hat in seiner Inszenierung die Arbeiterinnen mit dem zweifelhaften Nebenverdienst durch Gruppen ersetzt, die sich heutzutage Ausgrenzungen ausgesetzt fühlen. Wenn die feinen Leute bei ihm auf Abenteuer aus sind, finden sie sich in einer Bar ein, deren Personal quasi unter der Regenbogenflagge steht; derzeit wird diese Community unter dem Kürzel LGBTQIA+ zusammengefasst. Hat die Modernisierung funktioniert? Ja. Stehende Ovationen gab das Premierenpublikum nach mehr als zweieinhalb Stunden für diese noch immer zeitgemäße Posse. Die schauspielerisch und gesanglich zwar etwas durchwachsene Vorstellung überzeugt vor allem durch die spürbare Begeisterung des Ensembles.

Würdevolle Puffmutter
Einige Kabinettstücke werden geboten: Franz Steiner gelingt als Madame Storch ein tolles Gender-Crossing; so würdevoll müssen Puffmütter auftreten! Bruno Reichert gibt den nach Geld und Sex gierenden Herrn von Kauz so, dass man manchen Greis aus den „Seitenblicken“ im ORF wiederzuerkennen glaubt. Eine kraftvolle Erscheinung ist Bella Rössler als skurrile Frau von Erbsenstein, als überspannte reiche Witwe, die den jungen, in das Mädl (Masengu Kanyinda) verliebten Verlobten Gigl (Paul Graf) nicht kriegt und schließlich den alten, selbstlosen Verehrer nimmt.
Diese Paraderolle des Schnoferl, der allerlei Verwirrungen zu einem guten Ende bringt, spielt Clemens Matzka mit viel Gefühl fürs Timing. Allerdings hätte er ihr etwas mehr Galle verleihen können. Den auf Aktuelles ausgerichteten Couplets fehlt ein Alzerl Raffinesse. Dafür glänzt Grazia Patricia als dominante Drag Queen. Zauberhaft sind diese Auftritte. 

Zu den Stärken der Inszenierung zählt die Musik, Otmar Binder setzt auf Vielfalt – Renaissance und Barock, Klaus Nomi und Georg Danzer. Fast alle kommen dran, alle dürfen immer wieder mitsingen. Und die von Andrea Költringer symmetrisch gestaltete Bühne (einfach, lustig und auch bunt) ist dem Tempo dienlich. Fazit: Beschwingtes in Schwechat. Norbert Mayer 


Salzburger Nachrichten, 01. Juli 2024
Die Dragqueen aus der Vorstadt
Die NESTROY Spiele in Schwechat bringen einen Klassiker ganz unklassisch und schrill.

"Ja, die Zeit ändert viel", singt Titus Feuerfuchs im "Talisman". Christian Graf, der das zweite Mal die Nestroy Spiele Schwechat verantwortet, nahm sich das für die Posse "Das Mädl aus der Vorstadt", die am Samstag Premiere hatte, zu Herzen.
Liebe außerhalb des Standes regt heute keinen mehr auf. "Wer sind also Außenseiter anno 2024?", hat sich der Intendant gefragt. Er adaptiert das Personal, macht Diskriminierung zum Thema und setzt auf eine woke Lesart. Aus den "Näherinnen im heimlichen Nebengewerbe" wird eine illustre Mischung im queeren Tschocherl rund um Madame Storch. Sie wird famos verkörpert von Franz Steiner, der in 42 Jahren bei den Nestroy Spielen schon Liebhaber, Weltenbummler und Bäckermeister Kipfl gemimt hat. Diesmal macht er auf Peter Alexander und spielt die Barbesitzerin im "Charleys Rante"-Stil.

Das aus Laien und Profis bestehende Ensemble ist präzise eingespielt. Zwei weitere Urgesteine trifft man im Hof von Schloss Rothmühle; Bruno Reichert als Spekulant Kauz, ein lüsterner Alter, der Austern mit Ketchup schlürft. Er schiebt, um seine Schuldner zu vertrösten, dem "schwarzen Lockenkopf" einen Diebstahl in die Schuhe. Mit dem zerstörten Ruf muss dessen Tochter Thecla (Masengu Kanyinda) leben.

Bella Rössler glänzt als Frau von Erbsenstein. Beherzt singt sie die Weise von Vor- und Nachsicht. Überhaupt lockert die Musik – teils live gespielt von Otmar Binder – angenehm auf. Die Couplets werden mittels Münzeinwurf oder Siri gestartet und routiniert vorgetragen.

"Was Nestroy betrifft, ist Wien eine Vorstadt von Schwechat" lautet das Veranstaltermotto. Im Stück ist die Vorstadt einerseits Speckgürtel, andererseits Scherbenviertel. Hier das Schwarz-Weiß-Denken in einer bunten Gesellschaft, da die Dragqueen Grazia Patricia und der Sadomaso-Sklave mit Kärtner Akzent.

In beiden Welten zu Hause ist der Strippenzieher Schnoferl. Er tritt als Winkelagent der Herzen auf. Seine dunkle Seite als gefinkelter Intrigant erkennt man bei Clemens Matzka nicht. Er könne "mit jeder Nuance der Menschlichkeit" und empfiehlt im Schlusslied, man solle "jedem seine Freude lassen" – auch wenn sich die Wonne aus Bitcoins oder einem sexuellen Fetisch speist – oder in Anspielung auf Herbert Kickl – hoch zu Ross daherkommt.

Nestroys Untertitel lautet "Ehrlich währt am längsten". Sind jene, die sich an den Rand gedrängt fühlen, vielleicht ehrlicher und normaler als die Durchschnittsgesellschaft, die hier als Gruppe mit aufgeklebten Hamsterbacken auftritt? Die neu gedichteten Strophen mit Seitenhieben in Richtung blau-schwarzer Landesregierung (Stichwort "Wirtshausprämie", Genderverbot, Normaldenkende) hätten Nestroy sicher gefallen.

Auch wenn der Appell zur Offenheit gar etwas aufringlich daherkommt: Er stößt auf offene Ohren. Das Werben um Diversität muss nicht so extrem zelebriert werden wie bei Florentina Holzinger. Außerdem beweist der Regisseur ein glückliches Händchen bei der Besetzung. Auf die charmante Art, mit Nestroys Wortwitz erreicht man die breite Bevölkerung. Auf der Bühne sind einige zu Tränen gerührt, das Publikum klatscht stehend. Juliane Fischer


Kultur und Wein, 01. Juli 2024
DAS MÄDL AUS DER VORSTADT „Life Ball“ bei den queeren Nähterinnen

Eine Posse, aufgeladen mit hehren Anliegen, aber man darf trotzdem lachen.

Regisseur Christian Graf hat gemeinsam mit Bürgermeisterin Karin Baier vor der Rothmühle Schwechat die Regenbogenfahne gehisst. Die Pride Flag ist einerseits das mächtig wehende Zeichen für eine Welt, in der neben vielem anderen Guten sexuelle Orientierung und Identität keinen Unterschied mehr zeitigen sollen, andererseits ist sie eine Warnung an alle Normalos, die noch kein tiefenentspanntes Verhältnis dazu haben: Hier ist der Ort, wo sie ihr Fett abbekommen, diese Rassisten und unverbesserlichen Heteros! Naja, so schlimm ist es dann doch nicht. Auf dem Programm steht „Das Mädl aus der Vorstadt“, eine Posse mit Gesang von Johann Nestroy. Die im Titel erwähnte junge Frau ist die Tochter des zu unrecht eines Diebstahls verdächtigten Geschäftsleiters Stimmer und hat sich aus Scham in eine kleine Bleibe außerhalb der City zurückgezogen. Dummerweise liegt ihre Wohnung neben dem Salon von Madam Storch, die im Original eine Näherei betreibt. Wie damals üblich besserten sich ihre schlecht bezahlten Arbeiterinnen das Einkommen durch Liebesdienste auf. In Schwechat arbeiten ihre „Nähterinnen“ in einer Bar, in der erotische Dienste aller Art und für jeden Gusto angeboten werden, von der Drag Queen (Grazia Patrizia) über Thai (Sophie Plätzer als Pe Phi) und Domina (Melina Rössler als Sabine in Latzhose) bis zum Stricher Knöpfl (San Trohar). Warum nicht? Könnte es in ähnlicher Form durchaus auch schon 1841 gegeben haben, als dieses Stück seine Uraufführung erlebte.

Zugrunde liegt dieser Handlung ein französisches Vaudeville, das Nestroy mit wienerischen Elementen und seinem unvergleichlichen Wortwitz angereichert und dadurch zu einem seiner Erfolgsstücke gemacht hat. Es geht um ein gebrochenes Heiratsversprechen und den Versuch, den abtrünnigen jungen Mann durch zweifelhafte Verlockungen von seiner wahren Liebe zu heilen. Dieser Bursch heißt Gigl (Paul Graf), ist nicht unbetucht, aber auch nicht mehr gewillt, die in die Jahre gekommene Witwe Frau von Erbsenstein (eine elegante und doch komische Dame: Bella Rössler) zu ehelichen. Ihm ist die liebreizende Thecla über den Weg gelaufen und hat ihm den Kopf verdreht. Masengu Kanyinda gibt sie als schüchterne Person, die leise spricht und einer solchen Liaison eher skeptisch gegenübersteht. Ein anderes Kaliber ist Herr Kauz, ein windiger Spekulant, den Bruno Reichert jede Schlechtigkeit wie Unterschlagung und versuchten Betrug ausführen lässt. Als er Madam Storch (hinreißend: Franz Steiner als ältliche Puffmutter) nachsteigt, nimmt sein Untergang den gerechten Lauf. Schnoferl (Clemens Matzka) ist ein „ausgebreiteter Geschäftsmann“, versehen mit List und einigen recht bissigen Couplets, bei denen er von „Kapellmeister“ Otmar Binder am Klavier begleitet wird. Er überführt den Malefizbuben seiner üblen Machenschaften und erhält dafür als heiß ersehnten Lohn die Hand der Erbsensteinischen. Johannes Gans


NÖN, 01. Juli 2024
Schwechat: Die Mädln (und Buben) aus der Vorstadt

In feinstem Nestroy-Jargon verpackt, zieht der Intendant der Nestroy-Spiele Schwechat, Christian Graf, Nestroys Posse „Das Mädl aus der Vorstadt“ in die Gegenwart. Er stattet sie mit Regenbogenfarben, aktuell gedichteten Couplets à la Nestroy (Otmar Binder) und nestroyanischen, aber modernen Kostümen (Andrea Költringer) aus.

Am Rand der Gesellschaft sind bei ihm nicht die armen Näherinnen, sondern all jene, die nicht in den sich aktuell langsam wieder rückwärts wendenden inneren Zirkel der sogenannten „Normalen“ passen: Die dick sind oder keine weiße Hautfarbe haben, die sich Rassismen, Bodyshaming und Sexismen ausgesetzt sehen. Manchmal etwas zu aufgesetzt, etwa wenn Herr von Kauz (schaurig schmierig: Bruno Reichert) Thecla (Masengu Kanyinda) mit „Ausländerdeutsch“ anspricht, thematisiert Graf gemeinsam mit seinem Ensemble die Doppelmoral der sogenannten „Normalen“, die ihren Rassismus hinter bemüht zur Schau gestellter Weltoffenheit verbergen.

Dabei geht hier und da leider der dramaturgische Fluss etwas verloren, was aber der Kurzweiligkeit der Inszenierung keinen Abbruch tut. Allen voran Paul Graf als Gigl, Bella Rössler als Frau von Erbsenstein und Grazia Patricia als Rosa Lee tragen mit hoher Bühnenpräsenz und präzise gesetzten Blicken und Gesten durch den Abend und sorgen immer wieder für Lacher. Auch Clemens Matzka kennt seinen Nestroy und macht dem Dramatiker mit scharfsinnigen, pointierten Monologen alle Ehre.

Belohnt wird das Ensemble mit Standing Ovations und einer berührenden Rede des (seit letztem Jahr) neuen Intendanten, der sich nach der Premiere mit Tränen in den Augen nicht nur bei seinen vielen Mitarbeitern bedankte, sondern auch bei Bürgermeisterin Karin Baier. Ohne zu zögern hatte sie zugestimmt, vor Schloss Rothmühle die Regenbogenflagge als Zeichen einer diversen Gesellschaft zu hissen. Paula Kühn


NÖN, 01. Juli 2024
NESTROY Spiele Schwechat: Gesellschaftskritik und Standing Ovations

Es war eine bewusste Entscheidung und dennoch musste Intendant Christian Graf mit „Das Mädl aus der Vorstadt“ anfangs erst warm werden. Das erzählte der künstlerische Leiter der Nestroy Spiele Schwechat zumindest im Vorfeld über die Auswahl des Stücks für seine zweite Spielzeit im Schlosshof der Rannersdorfer Rothmühle (die NÖN berichtete). Am Samstag fand nun die lang ersehnte Premiere statt, bei angenehmen Sommertemperaturen und wohl dank des lauen Lüftchens auch kaum stechfreudigen Gelsen.

Das „Mädl“, wie das 1841 uraufgeführte Stück auch salopp genannt wird, entwickelte Graf zu einem Mix aus Liebeskomödie und der gesellschaftskritischen Thematisierung von Rassismus oder Bodyshaming. Eine zentrale Rolle spielte auch der Umgang mit Themen der LGBTQIA+-Community, die nicht zuletzt durch die Ensemblemitglieder, die Drag Queen Grazia Patricia als „Rosa Lee“ und Franz Steiner als „Madame Storch“, verkörpert wurden.

Prominent besetzte Zuschauerreihen
Passend dazu setzte Graf in seinen abschließenden Worten unmittelbar nach der Premiere ein verbales Zeichen für Frieden, Freiheit und Gleichberechtigung. Das brachte ihm Standing Ovations ein, allen voran Kabarettstar Gerold Rudle hielt es nicht auf seinem Sessel. Ebenfalls im Premierenpublikum hatten übrigens Graf-Vorgänger Peter Gruber, Berndorf-Intendantin Kristina Sprenger, Musiker Christian Deix, Schwechats Braumeister Andreas Urban oder Goodmills-Chef Peter Stallberger Platz genommen.

Aus der Politik ließ sich neben Bürgermeisterin Karin Baier oder den Stadträten Vera Edelmayr (beide SPÖ) und Anton Imre (ÖVP) auch Landesrätin Ulrike Königsberger-Ludwig, Landtags-Klubchef Hannes Weninger (beide SPÖ) und Landtagsabgeordneter Otto Auer (ÖVP) die Premiere nicht entgehen. 
Gerald Burggraf


NÖN-TV, 01. Juli 2024
NESTROY Spiele Schwechat "Das Mädl aus der Vorstadt"

Die Nestroy Spiele Schwechat begeistern derzeit mit dem Stück "Das Mädl aus der Vorstadt". In der Inszenierung von Christian Graf werden Themen wie Korruption, Diskriminierung und Standesunterschiede mit Nestroys unverwechselbarem Wortwitz aufs Korn genommen.

Das Stück spielt in der Wiener Vorstadt, wo sich Außenseiter treffen und gegenseitige Akzeptanz und Toleranz finden. Doch die Scheinheiligkeit der "Normalen" stellt ihre Gemeinschaft immer wieder auf die Probe. In dieser neuen Version von Nestroys „Mädl aus der Vorstadt" hat Christian Graf die Geschichte und Figuren so verändert, dass sie in die heutige Zeit passen. Es gibt jetzt zum Beispiel eine Trans-Schwulen-Bar und eine bunte Besetzung. Obwohl vieles anders ist und die Komik sehr auffällig, bleibt die Grundidee des Stücks gleich. Es spricht besonders junge Leute an, weil sie ihre eigene Welt darin wiedererkennen.

"Das Mädl aus der Vorstadt" ist nicht nur ein unterhaltsames Stück, sondern auch eine scharfe Kritik an den gesellschaftlichen Missständen der Zeit. Ein Theaterabend mit gesellschaftskritischer Botschaft und viel Nestroy-Witz.


Österreich, 01. Juli 2024
Dragqueens stürmen Nestroy Spiele

Theater In der 52. Saison der NESTROY Spiele im Hof von Schloss Rothmühle (Rannersdorf/NÖ) setzt Christian Graf im zweiten Jahr seiner Intendanz die "Outcasts von heute" in Szene, wie er im APA-Gespräch meint: Dragqueens, queere Menschen und People of Color sind alle im Nestroy-Klassiker Das Mädl aus der Vorstadt (bis zum 3.8.) zu sehen. Posse In der Posse in drei Akten stehen mit Bruno Reichert als Herr von Kauz und Franz Steiner (überrascht als Madam Storch) zwei wunderbare Nestroy-Veteranen auf der Bühne, während Clemens Matzka als Winkelagent Schnoferl gelungenen Einstand begeht. Ewald Baringer (APA)


Kurier, 02. Juli 2024
Diversität und Nestroy sind kompatibel: "Das Mädl aus der Vorstadt" in Schwechat
Die NESTROY Spiele Schwechat hissen die Regenbogenfahne und bleiben ganz beim Stück.

Mit Bürgermeisterin Karin Baier hatte Christian Graf, Regisseur und Intendant der Nestroy-Spiele Schwechat, am Schloss Rothmühle die Regenbogenfahne gehisst. Mit seiner aktuellenProduktion, „Das Mädl aus der Vorstadt oder: Ehrlich währt am längsten“ führt er vor, dass es möglich ist, mit Nestroy gegen Rassismus, für Diversität einzutreten und trotzdem ganz im Stück zu bleiben.

Es geht um die Kluft zwischen Ausgebeuteten und betrügerischen Kapitalisten, zwischen der Hautevolee und Randgruppen. Diese sind bei Graf Prostituierte, weibliche und männliche, sowie Menschen aus der LGBTQIA+ Community. Im Zentrum steht die junge Thecla, deren Vater des Diebstahls einer größeren Summe bezichtigt wird. Der Winkelagent Schnoferl, den Nestroy selbst verkörperte, deckt auf und bringt den Spekulanten Kauz dazu, mit dem Geld, das er unterschlagen wollte, Gutes zu tun. 

Andrea Költringers Bühne fügt sich unaufdringlich in den barocken Schlosshof. Ein Atout der Aufführung ist Otmar Binders Musik, die Stile aus verschiedenen Epochen vereint und Clemens Matzka als Schnoferl seine Couplets mit Gelassenheit vortragen lässt. Der zeigt den Winkelagenten als liebenswürdigen Aufdecker mit einer Schwäche für berauschende Kekse und Frau von Erbsenstein (resolut: Bella Rössler).

Masengu Kanyinda nimmt als Thecla für sich ein. Paul Graf ist ein sympathischer Gigl. Bruno Reichert zeigt den Spekulanten Kauz als Look-a-Like eines Baumeisters aus der „Seitenblicke“-Society. Franz Steiner verleiht Madame Storch eine einnehmende Würde. Drag Queen Grazia Patricia agiert mit Verve und wird zurecht wie alle Beteiligten bejubelt.  Susanne Zobl
KURIER-Wertung: 4 Sterne ★★★★


Kronen Zeitung, 02. Juli 2024
Beeindruckendes Vorstadt-Mädl

Nestroy in Schwechat: Das ist mehr als ein Sommerfestival, mehr als ein reizendes Schloss, mehr als "nur" Theater. Es ist einer Pilgerstätte für Nestroy-Fans, ein besonderer Mix aus Volksfest und Aufführung, aus Professionalität und Begeisterung. Die Darstellerinnen und Darsteller trifft man auch beim Pausenbuffet, man spürt die Hingabe: Es ist "ihr" Theater, das man freilich gerne mit dem Publikum teilt. Und es ist ein Anliegen. Auch ein gesellschaftspolitisches.

So steht Christian Grafs Inszenierung von "Das Mädl aus der Vorstadt" (wie auch seine Schlussansprache) im Zeichen von Diversität. Und wie er das Stück ins Heute verfrachtet: Das ist beeindruckend und gekonnt. Ganz Nestroy – und ganz aktuell. Tippt da jemand auf der Bühne etwas ins Handy, dann wirkt es richtig und logisch. Und dass die Charaktere in ihren Handlungen aus dem Leben gegriffen sind: das ist ohnedies Nestroy pur. Wie auch der kritische Blick auf so manches in der Gesellschaft.

An sich läuft die Sache rund und flott. Graf lässt Pointen setzen und überfachtet nicht. Das einfache, aber ungemein wirkungsvolle Bühnenbild von Andrea Költringer überzeugt, vor allem aber überzeut, wie gut das Ensemble harmoniert. Es sind gekonnt gesetzte Charaktere, von der Dragqueen bis zur "besseren" Gesellschaft und dem zentralen Liebespaar.

Gut gespielt u.a. von Clemens Matzka, Paul Graf, Masengu Kanyinda, Bruno Reichert, Grazia Patricia, Bella Rössler. Nichts fehlt, auch nicht das Politische im Couplet. Das Publikum geht mit, es lacht, es applaudiert – und dankt dem Ensemble mit stehenden Ovationen. Oliver A. Láng

Wertung: Pointenreiches Vergnügen ★★★★


weitere Links:

Ö1 Morgenjournal

schauvorbei • Interview mit Christian Graf und Clemens Matzka

SW 1 / NÖN-TV Premieren Bericht


Zeitungsausschnitte: